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Flüchtlinge mit Auto sollen keine Sozialhilfe bekommen – jetzt äussern sich die Ostschweizer Kantone und Gemeinden

Der Regierungsrat des Kantons Aargau hat entschieden: Flüchtlinge aus der Ukraine sollen keine Sozialhilfe mehr beziehen können, wenn sie ein Auto besitzen. In der Ostschweiz gilt diese Regel schon länger. Glaubt man den Gemeinden, betrifft sie aber nur einen kleinen Teil der Geflüchteten.

Viele Ukrainerinnen und Ukrainer müssen wohl bald Abschied von ihrem Fahrzeug nehmen.
Viele Ukrainerinnen und Ukrainer müssen wohl bald Abschied von ihrem Fahrzeug nehmen.

Viele Ukrainerinnen und Ukrainer müssen wohl bald Abschied von ihrem Fahrzeug nehmen.

Als die ersten Flüchtlinge in der Schweiz angekommen sind, waren sich viele sicher: Sollte der Krieg in der Ukraine bald enden, würden die Geflüchteten mit ihren eigenen Autos dorthin zurückreisen. Bei der Bedarfsprüfung für den Sozialhilfebezug wurden die Fahrzeuge deshalb nicht an das Vermögen angerechnet. Die Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges verpuffte aber relativ schnell, was die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) und die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) zu einem Umdenken veranlasste.

Sie gaben vergangenen November die Empfehlung heraus, dass Flüchtlinge aus der Ukraine ihre Autos innert zwölf Monaten nach Einreise verkaufen müssen, sofern sie Sozialhilfe beziehen. Dies, solange der Wert des Autos die Einfuhrkosten sowie das Vermögen übersteigt, das man als Sozialhilfeempfängerin oder -empfänger besitzen darf; also bereits wenige tausend Franken. Ist der finanzielle Aufwand zu hoch, sollte das Kontrollschild hinterlegt werden können.

Nun hat der Kanton Aargau als vermeintlich erster Schweizer Kanton nach der Empfehlung der SODK und der SKOS gehandelt und die Sonderverordnung für Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung aus der Ukraine entsprechend angepasst. Flüchtlinge mit Fahrzeug sollen keine Sozialhilfe mehr beanspruchen können. Am 10. März, also diesen Freitag, tritt die Änderung in Kraft.

«Sache der Gemeinden»

In den Ostschweizer Kantonen Thurgau und St.Gallen sind hauptsächlich die Gemeinden für das Thema verantwortlich. Caesar Andres, Abteilungsleiter Asylkoordination und Sozialhilfe beim Kanton Thurgau, schreibt auf Anfrage: «Der Kanton Thurgau überweist die Globalpauschale des Bundes den Gemeinden und diese sind für die Unterbringung von Personen mit Schutzstatus S zuständig.» Für die Gemeinden gebe es keine zusätzlichen Vorschriften seitens Kanton.

Auch Jürg Eberle, Amtsleiter Migrationsamt des Kantons St.Gallen, sagt auf Anfrage: «Die Sozialhilfe ist Sache der Gemeinden. Die Empfehlung der SODK kann nur von ihnen umgesetzt werden.»

Gemeinden setzen Vorschläge um

Was der Aargau kantonal beschlossen hat, legen die Ostschweizer Gemeinden also selbst fest. Haben diese bereits auf die Empfehlungen der SODK und der SKOS reagiert? Bernhard Keller, Geschäftsführer der Vereinigung St.Galler Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten, sagt dazu: «Im Kanton St.Gallen werden die Empfehlungen umgesetzt. Zumindest ist mir nichts anderes bekannt.»

Auf die Frage, ob man den betroffenen Personen durch die Veräusserung ihrer Fahrzeuge eine allfällige Rückkehr in die Ukraine erschwert, sagt Keller: «Ein Auto ist sicher nicht entscheidend in der Frage, ob die Personen, die sich bei uns aufhalten, wieder zurückkehren oder nicht.» Die Rückkehr hänge von weit bedeutsameren Faktoren ab, zum Beispiel von der Entwicklung der Situation in der Ukraine.

St.Gallen und Wil übernehmen Empfehlung

Ähnlich sieht es Heinz Indermaur, Leiter Soziale Dienste der Stadt St.Gallen: «Für die kleine Gruppe von Betroffenen wird die Verwertung des Fahrzeuges keine besondere Erschwernis für die Rückkehr in ihre Heimat darstellen.» Zudem würden die Geflüchteten bei ihrer Heimreise vom Staatssekretariat für Migration unterstützt.

Die überwiegende Mehrheit der schutzsuchenden Personen aus der Ukraine ist laut Indermaur ohnehin mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Schweiz eingereist. «Nur ein geringer Teil der Geflüchteten ist mit dem eigenen Fahrzeug in die Schweiz gekommen.» 

Und von jenen Fahrzeugen erfüllen nur wenige die Voraussetzung für einen Verkauf. Denn: Der voraussichtliche Erlös muss den Vermögensfreibetrag zuzüglich Einfuhrkosten von zirka 14 Prozent des Fahrzeugwertes übersteigen. Heinz Indermaur sagt:

«Die Empfehlung der SKOS und der SODK erscheint sachgerecht.»

Deshalb würden sich die Sozialen Dienste der Stadt St.Gallen an den Empfehlungen der beiden Konferenzen orientieren.

Dieselbe Richtung schlägt auch Wil ein: «Wir begrüssen die Empfehlungen, da damit die Gleichbehandlung aller Geflüchteten – unabhängig ihrer Herkunft – möglich ist», schreibt Marc Bilger, Departementsleiter Gesellschaft und Sicherheit der Stadt Wil. Auch dort richte man sich nach besagten Empfehlungen. Auf die Frage bezüglich der Rückreisemöglichkeiten weist Bilger darauf hin, dass eine Heimreise auch mit Flugzeugen oder Bussen möglich sei. «Die Mehrheit der uns bekannten Geflüchteten, die wieder zurückgekehrt sind, haben ihre Rückreise nicht mit dem eigenen Auto angetreten», so Bigler.

Einfache Anfrage weist auf Luxuskarossen hin

Obwohl in den Kantonen Thurgau und St.Gallen die Gemeinden entscheiden, ob sie die Vorschläge der SODK und der SKOS in die Tat umsetzen, muss sich nun die St.Galler Kantonsregierung mit dem Thema auseinandersetzen. SVP-Kantonsrat Sascha Schmid reichte am Dienstag eine Einfache Anfrage ein, in der er auf die Empfehlung der SODK und der SKOS hinweist.

Es sei zu hoffen, dass diese in der ganzen Schweiz umgesetzt werde. «Zumal in letzter Zeit in anderen Kantonen verschiedene Fälle von Personen aus der Ukraine bekannt geworden sind, die über teure Autos verfügen oder mit ihrer Anspruchshaltung die Öffentlichkeit irritiert haben», formuliert Schmid in seiner Anfrage.

Nun will er von der St.Galler Regierung unter anderem wissen, wie viele Personen mit Schutzstatus S ein Auto besitzen und wie viele dieser Fahrzeuge zur «gehobenen Kategorie» zählen. Weiter fragt Schmid, wie viele davon Sozialhilfe beziehen und ob die St.Galler Regierung bereit sei, sich bei den Gemeinden für die Umsetzung der Empfehlung einzusetzen.