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Die zweitneueste Olma-Halle muss wohl dem Autobahnausbau weichen – Politiker von rechts bis links sind brüskiert

Schon vor Jahren zeichnete sich ab, dass die Olma-Halle 9 der dritten Rosenberg-Röhre im Weg steht. St.Galler Politikerinnen und Politiker von links bis rechts kritisieren, dass sie nicht darüber informiert wurden – obwohl der Kanton Bescheid wusste.

Adrian Vögele

Wenn in der Stadt St.Gallen die dritte Autobahnröhre durch den Rosenberg gebaut wird, droht auf dem Olma-Gelände die nächste Grossbaustelle. Die Halle 9 steht dem Tunnel im Weg. Wie Recherchen unserer Zeitung zeigen, geht der Bund im Generellen Projekt für die dritte Röhre von einem weitgehenden Abbruch der Halle 9 aus. Schon 2020 unterzeichneten das Bundesamt für Strassen (Astra) und die Olma-Messen eine Absichtserklärung, die unter anderem festhielt, dass der Bund den Ersatz oder Umbau der Halle 9 finanzieren wird.

Offiziell kommuniziert wurde das bis jetzt nicht. Denn: Der Bund informiert in der Regel erst dann, wenn er fertig geplant hat. Das Astra arbeitet momentan am Ausführungsprojekt für den Tunnel, der definitive Entscheid über das Vorgehen fällt erst im zweiten Halbjahr 2024. Dass die Halle 9, die zweitmodernste Halle auf dem Olma-Gelände, stehen bleiben kann, ist somit noch nicht völlig ausgeschlossen – aber eher unwahrscheinlich. Zugleich stellen die Olma-Messen klar, dass sie auf die Kapazitäten der Halle 9 nicht verzichten können, insbesondere wegen des Kongressgeschäfts.

St.Galler Politikerinnen und Politiker sind brüskiert über das Ganze. Im Bundesparlament, das den Kredit für die dritte Röhre längst bewilligt hat, stellte SP-Nationalrätin Claudia Friedl kritische Fragen an den Bundesrat: Wusste er von den Folgen des Autobahnprojekts für die Olma-Messen? Wie hoch sind die Mehrkosten? Die Antwort steht noch aus.

«Information wäre zwingend gewesen»

Keine Kenntnis von der Sache hatte auch das Kantonsparlament, das in den vergangenen Jahren mehrere Debatten über die Zukunft der Olma-Messen führte. Wegen der Ertragsausfälle aus der Coronazeit war die Messegesellschaft auf finanzielle Unterstützung der öffentlichen Hand angewiesen.

Im Herbst 2022 entschied der Kantonsrat, auf die Rückzahlung eines Darlehens im Umfang von 8,4 Millionen Franken zu verzichten. Im Parlament wurde auch über Auslastung und Kapazitäten des Messegeländes diskutiert. Die grosse Investition in die neue Halle 1 komme zu einem ungünstigen Zeitpunkt, wurde damals beklagt. Vom möglichen Schicksal der Halle 9 war keine Rede.

Sascha Schmid, SVP-Fraktionschef im St.Galler Kantonsrat.
Sascha Schmid, SVP-Fraktionschef im St.Galler Kantonsrat.Bild: Benjamin Manser

Hätten die zuständigen Behörden damals über den Planungsstand der dritten Röhre informieren müssen? «Dies wäre zwingend nötig gewesen», sagt SVP-Fraktionschef Sascha Schmid. «Das zukünftige Geschäftsmodell und potenzielle Risiken waren in der Ratsdebatte zentral.» Da die Olma-Messen jetzt die Bedeutung der Halle 9 für ihr Geschäftsmodell betonen, sei erst recht offensichtlich, dass der Kantonsrat damals hätte informiert werden müssen. Die SVP-Fraktion hat am Montag eine Einfache Anfrage zum Thema eingereicht.

Abbruch nach 25 Jahren ist nicht üblich

Die Mitte Kanton St.Gallen schreibt auf Anfrage: «Eine erst 25 Jahre alte Halle vollständig abreissen zu müssen, ist kein Verfahren, das jedes vernünftig wirtschaftende Unternehmen einfach so vornehmen würde. In diesem Zusammenhang hätte es die Politik natürlich begrüsst, in der damaligen Debatte zur Umwandlung der kantonalen Darlehen in Eigenkapital über diese Unwägbarkeiten ins Bild gesetzt zu werden.» Der Bau der dritten Röhre sei allerdings unabhängig von der finanziellen Lage der Olma-Messen zu betrachten.

GLP-Kantonsrat Andrin Monstein sagt: «Ein Abbruch und Neubau der Halle 9 wäre bedauerlich und etwa aus raumplanerischer und ökologischer Perspektive fragwürdig.» Bezüglich der letzten Kantonsratsdebatte über die Olma-Messen stelle sich zumindest die Frage, ob einzelne Personen und Parteien aus taktischen Überlegungen Informationen zurückgehalten hätten. Ein Ausfall der Halle 9 könne den Businessplan der Olma-Messen erheblich beeinträchtigen.

Thomas Schwager, Kantonsrat der Grünen, bezeichnet den voraussichtlichen Abbruch der Halle 9 als Schildbürgerstreich. «Diese Seldwylerei hätte die Diskussion im Kantonsrat für die Unterstützung der Olma-Messen sicher nicht positiv beeinflusst.» Und auch wenn das Astra die ganzen Baukosten für eine neue Halle 9 übernehme: «Ist ein Abriss nötig, darf der Neubau erst erfolgen, wenn die Olma-Messen den geplanten Erfolg und damit Bedarf für die Halle 9 haben – was ich Olma wie Stadt und Kanton St.Gallen sehr wünsche.»

Ein Argument gegen die dritte Röhre?

Die dritte Röhre und der Zubringer Güterbahnhof gehören zum schweizweiten Nationalstrassen-Ausbauschritt 2023, über den das Volk abstimmen wird. Die Grünen sind strikt dagegen und sehen sich nun erst recht bestätigt: Dass die zweitneueste Olma-Halle voraussichtlich abgerissen werden müsste, zeige, wie «rückständig und rücksichtslos» das Projekt der dritten Röhre und des Zubringers sei, schreibt die St.Galler Regionalpartei der Grünen. Auch für GLP-Kantonsrat Monstein ist die Angelegenheit mit der Halle 9 ein neues Argument gegen den Nationalstrassen-Ausbauschritt.

FDP, Mitte und SVP hingegen stellen die dritte Röhre nicht infrage, Olma hin oder her. «Für uns geht die Mobilität der Bürger vor», sagt SVP-Fraktionschef Schmid. Die dritte Röhre habe aufgrund des gestiegenen Verkehrsvolumens ihre Berechtigung. FDP-Präsident Raphael Frei hält fest: «Die Sanierung der bestehenden Röhren unter dem Rosenberg ist unabdingbar und bereits geplant. Ohne die dritte Röhre käme es zu massiven Verkehrsproblemen in der Stadt und Umgebung, da die Tunnelröhren während der Sanierung teilweise gesperrt werden müssen.»

Der Kanton wusste Bescheid

Frei sagt weiter, es sei üblich, dass bei grossen Infrastrukturprojekten bestehende Gebäude betroffen seien. Bei unterirdischer Verkehrsführung werde diese Betroffenheit minimiert. Im vorliegenden Fall dürfe man davon ausgehen, dass es sich um die geeignetste Lösung handle. «Die FDP erachtet es als selbstverständlich, dass das Astra und die Olma-Messen die Planung eigenständig und frühzeitig vornehmen und keinerlei finanzielle Folgen für den Kanton St.Gallen entstehen.»

In anderen Kantonen ist es bereits vorgekommen, dass das Astra frühzeitig Einblick in seine Pläne gab und beispielsweise ein Generelles Projekt öffentlich präsentierte – dies aber nur auf ausdrücklichen Wunsch des betroffenen Kantons. Und in St.Gallen? Das Baudepartement schreibt auf Anfrage, der Kanton sei schon bei Beginn des Generellen Projekts für die dritte Röhre über die Abklärungen bezüglich der Halle 9 informiert worden. Für die Kommunikation sei aber das Astra zuständig.

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