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«Es war keine Eskalation zu erwarten» – St.Galler Regierung nimmt erstmals zu Eritrea-Demonstrationen Stellung

Erstmals seit den Ausschreitungen von Flüchtlingen aus Eritrea nimmt die St.Galler Regierung Stellung. Grund für die Stellungnahme war eine Anfrage eines SVP-Politikers, der hartes Durchgreifen verlangte.

Sie kamen in Scharen nach Oberuzwil und gingen gegen ihre eigenen Landsleute vor, damit diese keine Propaganda aus ihrem Heimatland Eritrea verbreiten: Hunderte Menschen, die ursprünglich aus Eritrea vor einem Regime geflohen sind, dessen Anhänger in der Schweiz Steuern eintreiben und die Propaganda ihres Diktators verbreiten. Plötzlich geriet Oberuzwil in den Strudel eines Konflikts der eritreischen Diaspora. Hunderte Oppositionelle demonstrierten gegen eine als «Kulturfestival» getarnte Propaganda-Aktion der Regimeanhänger.

«Die Polizei hatte mich vor der Sache gewarnt, und ich habe den Fehler gemacht, nicht auf sie zu hören»,

sagt Vermieter Hans Müggler heute, zwei Monate nach dem Aufmarsch der eritreischen Oppositionellen vor seinem Kulturlokal «Alte Gerbi».

Die Polizei musste mit einem Grossaufgebot in Oberuzwil auffahren, um die erzürnten Eritreer davon abzuhalten, das «Kulturfestival» ihrer Landsleute zu stören. Die Oppositionellen, die nach Oberuzwil gereist waren, vermuteten, dass das «Kulturfestival» eine getarnte Propagandaveranstaltung von Anhängern des Diktators sei. Vor Ort wurden sie jedoch von der Polizei eingekesselt und von der «Alten Gerbi» weggeführt. Ins Innere der Lokalität konnte niemand. Der Vermieter sagt heute:

«Ich war nach der ganzen Sache noch einmal drin und wie ein Familienfest sah das nicht aus: Es hingen überall Flaggen.»

Kantonsrat bezeichnet Eritreer als Extremisten

Im St.Galler Kantonsrat wurden kurz nach den Auseinandersetzungen in Oberuzwil und im Zürcher Opfikon schnell Stimmen laut, die von der Regierung Antworten dazu verlangten. SVP-Kantonsrat Sascha Schmid aus Buchs kritisierte, dass man die Veranstaltung nie hätte bewilligen dürfen: «Im Kanton St.Gallen besteht mit dem Polizeigesetz Artikel 50 eine Rechtsgrundlage zur Bekämpfung von extremistischen Veranstaltungen.» Das Gesetz, dass seit 2020 in Kraft ist, ermöglicht es den Behörden, auf kantonaler Ebene bereits erteilte Bewilligungen für Veranstaltungen extremistischer Gruppierungen wieder zu entziehen.

Damit stellt Schmid die Veranstalter des «Festivals» auf die gleiche Ebene wie etwa das vom Kanton im Jahr 2022 abgesagte Nazi-Konzert von Kaltbrunn. Schmid stuft die eritreischen Gruppierungen als extremistisch ein. Die St.Galler Regierung weist dies jedoch zurück. Sie schreibt dazu: «Die Befürwortung oder die Ablehnung des Regimes in Eritrea oder eine tätliche Auseinandersetzung reicht nicht aus, um jemanden als Mitglied einer extremistischen Organisation zu betrachten.»

Polizei schätzte die Lage falsch ein

Nun hat die Regierung des Kantons die Fragen des SVP-Kantonsrats schriftlich beantwortet – mit einem erstaunlichen Ergebnis: «Die Lagebeurteilung der Kantonspolizei hat damals ergeben, dass vom bewilligten Anlass keine Eskalation zu erwarten sei.» Dies trotz zahlreicher Medienberichte über ähnliche Festivals. In Giessen (D) beispielsweise wurden mehrere Polizisten und Demonstrierende verletzt, die Behörden erstatteten 181 Strafanzeigen. Die Antwort der Regierung enthält auch die Aussage, dass die Kantonspolizei St.Gallen nicht für die Beobachtung und Einschätzung des Extremismus- oder Gefährdungspotenzials dieser Gruppierungen zuständig sei – das sei Sache des Nachrichtendienstes. Dort hielt man sich jedoch bei mehreren Medienanfragen bedeckt und verwies auf die zuständige Kantonspolizei.

Die Eritreer marschierten Anfang September jubelnd durch Oberuzwil, nachdem das Festival abgesagt worden war.
Die Eritreer marschierten Anfang September jubelnd durch Oberuzwil, nachdem das Festival abgesagt worden war.Bild: Raphael Rohner

Auch die Thematik einer möglichen ausländerrechtlichen Untersuchung gegen die gewaltbereiten Demonstrierenden wurde im Bericht der St.Galler Regierung aufgenommen. SVP-Politiker Schmid will von der Regierung wissen, inwiefern der Kanton gegen die Menschen vorgehe, die an der Demonstration beteiligt waren. Schmid fragt die Regierung, ob der Kanton bereit sei, «extremistische eritreische Gruppierungen» zu verbieten und deren Mitglieder auszuweisen.

Der Kanton schreibt in seiner Antwort: «Ob allenfalls Personen von gewalttätigen, extremistischen Gruppierungen involviert waren, kann die Regierung nicht beurteilen.» Der Regierung sei ebenso nicht bekannt, über welchen ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel die in die Massenschlägerei in Opfikon involvierten Personen verfügten. Es sei auch nicht Sache des Kantons, darüber zu urteilen und migrationsrechtliche Konsequenzen zu ziehen. Das sei Sache der Strafverfolgungsbehörden.