Liechtenstein sieht von einer gemeinsamen Spitalstrategie ab. Die Kantonsräte, die sich dafür stark machen, geben sich nicht geschlagen.
Von Michael Wanger
aktualisiert am 08.05.2024
Die Spitalstandorte Grabs und Vaduz laufen Gefahr, unbewusst gegeneinander zu arbeiten. Es ist zwar keine endgültige Absage, aber das Zeichen ist eindeutig: Liechtenstein hält in der Spitalfrage an seinem eigenen Weg fest. Am Donnerstag hatten die Werdenberger Kantonsrätinnen und -räte der SVP, FDP und Mitte erfolgreich beantragt, dass die Kantonsregierung die gemeinsame Spitalplanung mit dem Fürstentum vorantreiben und in einem Jahr Rechenschaft ablegen muss. Doch die erste Reaktion aus dem Nachbarland stimmt eben alles andere als zuversichtlich.
Die Ausgangslage: Strategie sieht etwas Anderes vor
Aus dem Gesundheitsministerium hiess es vergangene Woche auf W&O-Anfrage, dass die Zusammenarbeit zwischen Land und Kanton «bereits sehr eng und vielschichtig» sei. Sowohl auf Ebene der Vertragsspitäler als auch der Trägerschaften. Gegenüber dem Vaterland wurde Gesundheitsminister Manuel Frick noch konkreter: Wir haben eine sehr gute Lösung mit dem Kantonsspital Graubünden als Zentrumsspital für das Landesspital. Eine Einbettung in die St. Galler Spitalplanung würde diese Zusammenarbeit infrage stellen. Und dafür sehe ich keinen Anlass. Plötzlich einen noch engeren Weg mit dem Kanton St. Gallen einzuschlagen würde ihm zufolge ein falsches Signal nach Chur senden. «Das heisst aber nicht, dass wir nicht mit St. Gallen reden, um zu schauen, wo noch stärker kooperiert werden könnte», so Frick. Immerhin ein kleiner Lichtblick.
Doch ist es das, was sich die fünf Kantonsrätinnen und -räte vorgestellt haben? «Es war absehbar, dass aufgrund des eingeschlagenen Wegs der Liechtensteiner Regierung gewisse Vorbehalte bestehen könnten», räumt SVP-Kantonsrat Sascha Schmid auf W&O-Anfrage ein, «trotzdem muss jemand den ersten Schritt machen.» Das Problem liege nicht darin, dass das Fürstentum seine eigene Spitalplanung verfolgt, sondern dass diese sich zu wenig an der Ausgangslage orientiert.
Das Problem: zwei Spitäler auf engstem Raum
Schon heute lässt sich der Grossteil aller Patientinnen und Patienten aus dem Fürstentum im Spital Grabs behandeln. Deshalb ist es für Schmid und seine Amtskollegen nicht verständlich, warum die liechtensteinische Regierung weiterhin am Neubau eines Landesspitals festhält (siehe Kasten), wo doch diesseits des Rheins 100 Millionen Franken in den Um- und Ausbau des Spitals investiert werden. Eine Investition, die bei einer engeren Zusammenarbeit gemeinsam gestemmt und besser aufeinander abgestimmt werden könnte.
Am 16. Juni wird sich herausstellen, ob Liechtenstein ein neues Landesspital baut.
PD
Es gehe den Kantonsrätinnen und Kantonsräten nicht darum, den Neubau des Landesspitals zu verhindern. Vielmehr wünschen sie sich, dass Liechtenstein und der Kanton St. Gallen das Leistungsangebot gemeinsam ausgestalten und eben aufeinander abstimmen. «Eine Konkurrenzsituation zwischen zwei staatlich finanzierten Spitälern in unmittelbarer Nähe bringt keiner Seite einen Vorteil. Die Nutzung von Synergien dagegen schon», ist der SVP-Kantonsrat überzeugt.
Dieses Vorgehen würde eine Doppelspurigkeit vermeiden. Denn ein Spital brauche unter anderem hohe Fallzahlen, um effizient und qualitativ hochwertig arbeiten zu können. Schmid mahnt: Da auf beiden Seiten des Rheins die Krankenkassenprämien stetig steigen, wäre ein Wegschauen in dieser Frage teuer.
Manuel Fricks Bedenken, wonach Liechtenstein ein falsches Zeichen nach Chur senden würde, seien unberechtigt, denn eine engere Zusammenarbeit zwischen Grabs und Vaduz stehe in keinem direkten Widerspruch zur bestehenden Partnerschaft mit Chur.«Grabs ist kein Zentrumsspital», erinnert Schmid. Doch wie sähe die von den SVP-, FDP- und Mitte-Fraktionen erhoffte Kooperation aus? Immerhin hat Gesundheitsminister Frick bereits dargelegt, dass die Brücken über den Rhein längst geschlagen sind.
Die Lösung: eine eigenständige Gesellschaft?
Die Kantonsrätinnen und Kantonsräte schlagen zum Beispiel eine eigene Trägerschaft für die Spitäler Grabs und Vaduz vor. Auch Institute für Teilbereiche sollen die Regierungen prüfen. Schmid ist überzeugt, dass dies einen Mehrwert für beide Beteiligten bringt: Bei einer Trägerschaft könnte das Spital Grabs mit dem Landesspital in einer gemeinsamen, von den St. Galler Spitalverbunden separierten Gesellschaft aufgehen.
Dafür brauche es aber eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Etwas, das aus Schmids Sicht in der Vergangenheit zu kurz gekommen sei. Das wird sich nun aber ändern. Zwangsläufig, denn der Kantonsrat hat der St. Galler Regierung den verbindlichen Auftrag hierzu erteilt.
Ein neues Landesspital für 71,5 Millionen Franken
2019 hat das Stimmvolk einem Neubau des Landesspitals für 65,5 Millionen Franken zugestimmt.
Dieses Vorhaben ist inzwischen wieder umstritten. Unter anderem deshalb, weil es 2022 danach aussah, als würde das Projekt um 21 Millionen Franken teurer werden. Obwohl die Regierung die voraussichtlichen Mehrkosten auf 6 Millionen Franken senken konnte, hat ein überparteiliches Komitee das Referendum ergriffen.
Am 16. Juni werden die Bürgerinnen und Bürger Liechtensteins deshalb ein zweites Mal über ihr Landesspital abstimmen. Lehnen sie den Ergänzungskredit ab, gibt es keinen Neubau. Das Land müsste dann weiterhin in den bestehenden Standort investieren. «Das kommt uns am Ende teurer, es stört den laufenden Betrieb und das Ergebnis ist schlechter», sagte Gesundheitsminister Manuel Frick gegenüber dem Vaterland.