Nach dem Spesenskandal an der HSG sollte ein neues Universitätsgesetz Abhilfe schaffen. Das Gesetz könnte auf dem Rosenberg auch die aktuellen Sorgen lindern. Doch noch ist es in Arbeit.
Renato Schatz
«Wir stellen für die HSG einen Baukasten zusammen», sagt Michael Schöbi. Der St.Galler Mitte-Kantonsrat präsidiert die vorberatende Kommission (Voko), die am Donnerstag zum zweiten Mal das neue Universitätsgesetz bespricht. Es handelt sich um eine Totalrevision, eine Renovierung sozusagen.
Das alte Gesetz, Baujahr 1988, ist alt. Das beweist Artikel 16, der da heisst: «Rektor.» Nach der Renovierung würde der Artikel dann lauten: «Rektorin oder Rektor.»
Inkrafttreten voraussichtlich 2024
Das ist dem Gesetzesentwurf der Regierung zu entnehmen. Dieser ist Grundlage der Besprechungen in der Voko und berücksichtigt zum Teil Forderungen der Parteien, der Universität St.Gallen (HSG) oder auch der Industrie- und Handelskammer St.Gallen-Appenzell, die ihre Anliegen im Rahmen der Vernehmlassung bei der Regierung deponiert hatten.
Hat die vorberatende Kommission, bestehend aus 15 Kantonsrätinnen und Kantonsräten, die Vorlage besprochen, kommt sie ins Parlament; in der Februarsession voraussichtlich zur Debatte und in der Junisession zur Abstimmung. In Kraft träte das Unigesetz – vorbehalten der Referendumsfrist – schliesslich per 1. Januar 2024. So viel zum Bauplan.
Dann, 2024, könnte die HSG ihren Baukasten erstmals benutzen. Er würde nicht nur die sprachliche Berücksichtigung von Frauen beinhalten, sondern auch deutlich mehr Kompetenzen für die künftige Rektorin oder den künftigen Rektor, darunter auch die «Aufsicht über die Institute». Aktuell obliegt diese dem Universitätsrat.
HSG-Institute sind relativ autonom
Karin Hasler sitzt als SP-Kantonsrätin in der Voko. Sie nennt die im Raum stehenden neuen Werkzeuge «Verbesserungen» und sagt:
«Wir hoffen, sie werden zukünftige Rektorinnen und Rektoren bestärken, sich gegenüber den Instituten behaupten zu können.»
Im Vergleich zu vielen anderen Universitäten finanziert sich die HSG nämlich weniger über staatliches Geld als vielmehr über Zuschüsse von Dritten – über die relativ autonomen Institute. Doch diese Autonomie wird im Zuge der Plagiatsaffäre zurzeit in Frage gestellt.
Zur Erinnerung: Zwei Leiter eines Instituts der betriebswirtschaftlichen Abteilung sind am vergangenen Freitag vorübergehend freigestellt worden. Es gibt Hinweise, wonach einer der beiden Teile seiner Arbeiten abgeschrieben haben soll, namentlich die Dissertation und die Habilitation. Letztere hat der andere der beiden als Professor betreut.
Studierende der HSG hegten bereits im vergangenen Jahr Verdacht und teilten diesen der Schule mit. Die Universität liess sie prüfen und fand: nichts. Der Plagiatsexperte Stefan Weber sagte in dieser Zeitung kürzlich aber, der besagte Professor habe «erheblich gegen die gute wissenschaftliche Praxis verstossen, indem er sowohl in seiner Doktorarbeit als auch in seiner Habilitationsschrift teils grossflächig abgeschrieben hat, ohne Quellen zu nennen».
Was taugt das neue Gesetz?
Hätte die Plagiatsaffäre mit einem anderen Baukasten, mit einem stärkeren Rektor verhindert werden können? «Genau das sollte geklärt werden, bevor übereilt ein Gesetz verabschiedet wird, das die HSG für viele, viele Jahre prägen wird», sagt Hasler.
Andere Mitglieder der Voko sind zurückhaltender. Laut SVP-Kantonsrat Sascha Schmid sei es noch nicht der Zeitpunkt, Schlüsse aus den Plagiatsvorwürfen zu ziehen, «denn es handelt sich um ein laufendes Verfahren». Gleichzeitig lässt Schmid durchblicken, dass er die neuen Werkzeuge für brauchbar hält. Er sagt:
«Das neue Universitätsgesetz berücksichtigt auch Punkte, die zur Verhinderung der aktuellen Missstände beitragen könnten.»
Auch FDP-Fraktionspräsident Christian Lippuner sitzt in der Kommission, er sieht es ähnlich: «Die ganze Organisation, die Aufsichtspflicht der entsprechenden Stellen, all das wird in diesem Gesetz sauber abgehandelt.» Er habe daher nicht den Eindruck, dass es nach den jüngsten Vorfällen notwendig wäre, das ganze Gesetz zu überdenken.
«Vor Plagiatsfällen nie gefeit»
Ob dem wirklich so ist, zeigt sich eventuell schon nächste Woche. Möglich, dass die vorberatende Kommission dann ein Communiqué veröffentlicht. Vorausgesetzt, Donnerstag findet wirklich die finale Sitzung statt. Wer sich in der Voko umhört, vernimmt verschiedene Prognosen. Einige sind überzeugt, es braucht keinen dritten Sitzungstag, andere hingegen rechnen damit.
Böse Zungen würden behaupten, das Kommissionsgeheimnis wird ähnlich flexibel interpretiert wie das Wort «Plagiat» an der HSG, die 2018 mit dem Spesenskandal selbst für die Forderungen nach neuen Regeln und damit auch nach einem überarbeiteten Universitätsgesetz sorgte.
HSG-Rektor Bernhard Ehrenzeller wollte sich auf Anfrage nicht äussern, verwies stattdessen auf die Antworten des St.Galler Bildungsdirektors Stefan Kölliker. Dieser teilte unter anderem mit, man sei «vor Plagiatsfällen leider nie ganz gefeit». Schöbi, der die Voko präsidiert, sieht es genauso, wählt aber andere Worte:
«Wir stellen nur den Werkzeugkasten zur Verfügung, mehr kann das Parlament nicht tun.»
Sollte das neue Unigesetz durchkommen, ist es die HSG, die diesen Kasten benutzen wird. Auch, um wieder Glaubwürdigkeit aufzubauen.